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Die Blockaden der cruise missiles Station in Hasselbach und ihre Folgen

Eine Sonderausstellung im Haus der regionalen Geschichte auf der Kastellauner Unterburg

Bilder von der Ausstellungseröffnung am 3. September 2010


August Dahl bot noch einmal seine Demonstration des angehäuften atomaren Vernichtungswahnsinns aus seinem Verteidigungsplädoyer im Blockadeprozess dar - eine Bleikugel für einmal freigesetzte gesamte Sprengkraft des 2. Weltkriegs

Chronologie der Hasselbach-Blockaden und ihrer juristischen Nachspiele

Am 22. November 1983 beschließt der Deutsche Bundestag die Stationierung neuer atomarer ...

Am 22. November 1983 beschließt der Deutsche Bundestag die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Deutschland im Rahmen des sogenannten NATO-Doppelbeschlusses. In die Militäranlage PYDNA bei Hasselbach im Hunsrück sollen 96 cruise missiles mit einer Sprengkraft von etwa 1.000 Hiroshima-Bomben kommen. Hasselbach ist der einzige Stationierungsort in Deutschland für die atomaren cruise missiles.

Im Januar 1986 treffen trotz massiven Widerstandes in der Bevölkerung die ersten cruise missiles auf der Marschflugkörper-Basis ein. Nach der eindrucksvollen Großdemonstration vom 11. Oktober 1986 auf dem Hunsrücker Beller-Markt-Gelände mit mehr als 180.000 Teilnehmern direkt gegenüber dem Stationierungsgelände, will die Friedensbewegung den Widerstand und Druck auf die Politik mit weiteren starken, öffentlichkeitswirksamen und gewaltfreien Protestmitteln erhöhen. Zusammen mit der „Initiative Kirche von unten“ und der Partei „DIE GRÜNEN“ ruft die bundesweite Friedensbewegung und die Hunsrücker Friedensinitiative anlässlich des 3. Jahrestages des Stationierungsbeschlusses für den 20. und 21. November 1986 zur Blockade aller vier Tore der Raketenbasis bei Hasselbach auf. Für zwei Werktage will die Friedensbewegung den aus- und eingehenden Fahrzeugverkehr der Todesbasis zum Erliegen bringen.

Insgesamt 12 mal räumt die Polizei an den beiden Tagen die Tore der PYDNA frei – immer nach dem gleichen Ritual: Es erfolgt dreimal die Aufforderung per Megaphon, freiwillig den Weg freizugeben; wer danach noch vor dem Tor sitzen bleibt, wird von jeweils zwei Polizeibeamten weggetragen und zur Feststellung der Personalien vorübergehend festgenommen. 159 Blockiererinnen und Blockierer werden so polizeilich erfasst; 50 von ihnen sind Hunsrücker. Aber auch viel Prominenz ist dabei: Horst Eberhard Richter, Lukas Beckmann, Petra Kelly, Gerd Bastian ...

Gegen sie alle wird Anklage erhoben und vor dem Simmerner Amtsgericht verhandelt. Der erste Prozess findet am 8. April 1987 statt. Den Vorsitz hat Amtsrichter Hans-Georg Göttgen, Ankläger ist Oberstaatsanwalt Halfmann aus Bad Kreuznach. Angeklagt sind die Sozialpädagogin Marlies Bauer-Karl und der evangelische Pfarrer August Dahl, beides Hunsrücker, sowie Philipp Neßling und Klaus Matthes, evangelische Pfarrer aus Essen. Alle vier werden wegen gemeinschaftlich begangener „verwerflicher und gewaltsamer Nötigung“ zu 30 Tagessätzen verurteilt - alle vier legen Widerspruch gegen das Urteil ein.

Einige der in späteren Verhandlungen von Richter Göttgen Verurteilten machen von ihrem Recht Gebrauch und gehen, statt die Geldstrafe zu zahlen, ersatzweise ins Gefängnis. Unter ihnen Heike Michel, Armin Keimburg, Hermann Theisen ...

Für den 28. und 29. Mai 1987 wird zur zweiten Blockade des Stationierungsgeländes aufgerufen. Die Friedensbewegung will damit ein neues, unerwartetes Abrüstungsangebot der Sowjets unterstützen, Atomraketen größerer Reichweite abzubauen und die neuen Kurzstreckenraketen aus der DDR und CSSR abzuziehen. Die Staatsgewalt geht nun bereits auch gegen die 105 Unterzeichner des Blockadeaufrufs wegen „Aufruf zu strafbaren Handlungen“ vor und leitet Ermittlungsverfahren gegen sie ein. In einer gelungenen Solidaritätsaktion unterschreiben daraufhin in der Folge fast 600 Menschen einen generellen Aufruf zum Blockieren um so schon rein zahlenmäßig eine Strafverfolgung zu erschweren.

Da an der zweiten Blockade auch viele Sympathisanten teilnehmen, die selbst nicht blockieren, ist die Resonanz groß: Etwa 500 Menschen kommen an den zwei Tagen im Mai 1987 zur PYDNA. 45 Blockiererinnen und Blockierer werden geräumt, polizeilich erfasst und später angeklagt. Auch diesmal ist wieder Prominenz mit dabei – so etwa die Theologin Luise Schottroff und die neugewählte rheinland-pfälzische Landtagsfraktion der "GRÜNEN".

Am 20. Juli 1987 findet vor dem Landgericht Bad Kreuznach der erste Berufungsprozess gegen die Simmerner Verurteilungen wegen Nötigung statt. Der Prozess endet mit einer kleinen Sensation: Der Vorsitzende Richter am Landgericht, Hartmut von Tzschoppe, spricht die Angeklagten frei! Er sieht das Tatmerkmal der Verwerflichkeit, welches Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Nötigung ist, nicht gegeben und hebt die Simmerner Urteile auf. Er erkennt auf eine Ordnungswidrigkeit gemäß Straßenverkehrsordnung - Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer – und verhängt demgemäß lediglich Bußgelder zwischen 50.- und 100.- DM. Hiergegen legt nun wiederum Oberstaatsanwalt Halfmann Revision beim Oberlandesgericht Koblenz ein.

Amtsrichter Göttgen in Simmern veruteilt weiter wegen Nötigung ...

Die dritte Hasselbach-Blockade ist eingebettet in die „Hunsrücker Aktionstage“ und findet statt vom 2. bis 10. Oktober 1987. Von Freitag, 2. Oktober bis Donnerstag, 8. Oktober wird nur Tor 2 blockiert, durch welches die cruise missiles Konvois seit April des gleichen Jahres regelmäßig die Basis zu Manövern verlassen. Am Freitag und Samstag, 9. und 10. Oktober werden wieder alle 4 Tore der Basis blockiert. Die Menschen vor Ort sind aufgebracht und empört über die Rücksichtslosigkeit des US-Militärs, das die Raketenkonvois durch die engen Durchfahrten der kleinen Hunsrückdörfer lenkt. Im Juli hat es in Herborn einen fürchterlichen Unfall mit einem explodierenden zivilen Tanklastzug mit 6 Toten und über 40 Verletzten gegeben und die Hunsrücker befürchten, dass sich ein noch schlimmeres Unglück mit den cruise missiles bei der Durchfahrt durch ihre Dörfer ereignen könnte. Zeitgleich laufen in Genf und Reykjavík die Verhandlungen der Supermächte zum Abbau der Mittelstreckenraketen. Eine Null-Lösung scheint greifbar. In Hasselbach gibt es bei der dritten Blockade insgesamt nur 2 Festnahmen. Aber alle Unterzeichner des Aufrufs zu den Aktionstagen erhalten Strafbefehle.

Am 29. Oktober 1987 hebt das Oberlandesgericht Koblenz im ersten Revisionsverfahren die Bad Kreuznacher Freisprüche wieder auf und verweist die Verfahren an das Mainzer Landgericht zur endgültigen Festlegung des Strafmaßes wegen Nötigung.

Am 10. Januar 1995 urteilt der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes mit 5 gegen 3 Stimmen im Zusammenhang mit einer Sitzblockade in Mutlangen: „Die erweiterte Auslegung des Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen verstößt gegen Art. 103, Abs. 2 GG.“ Das heißt, bei gewaltfreien Sitzblockaden ist das Kriterium der Gewalt nicht erfüllt. Der grundgesetzlich verbürgte Bestimmheitsgrundsatz in Artikel 103 ist durch die Urteile verletzt worden. Danach können Sitzblockaden nicht mehr als Nötigung im Sinne von § 240 StGB bestraft werden. In der Folge werden noch nicht abgeschlossene Verfahren eingestellt oder enden mit Freispruch. Zahlreiche Verfahren, in denen es zu Verurteilungen gekommen war, werden von Amts wegen wieder aufgenommen und führen zu Freisprüchen.

Der rheinland-pfälzische Justizminister Peter Caesar, FDP, sagt am 24. März 1995 im Mainzer Landtag: „Die im Zusammenhang mit den genannten Blockadeaktionen in Rheinland-Pfalz wegen Nötigung gemäß § 240 StGB verurteilten oder mit sonstigen Sanktionen belegten Personen müssen nach Auffassung der Landesregierung voll rehabilitiert werden. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben sie sich nicht strafbar gemacht.“

Panzerblockade am Bahnhof Simmern 10. Januar 1983

Zahlreiche Mitglieder der Friedensbewegung behindern das Abladen von US-Panzern am Simmerner ...

Zahlreiche Mitglieder der Friedensbewegung behindern das Abladen von US-Panzern am Simmerner Bahnhof.
Panzerblockade am Bahnhof Simmern 10. Januar 1983

Bundesweite Diskussion über Aktionen zivilen Ungehorsams im Hunsrück

Bereits im Vorfeld der Großdemo vom 11. Oktober 1986 wurde in den internen Koordinierungs- und ...

Bereits im Vorfeld der Großdemo vom 11. Oktober 1986 wurde in den internen Koordinierungs- und Entscheidungsgremien der bundesweiten Friedensbewegung heftig über Blockaden als Aktionen zivilen Ungehorsams im Hunsrück gestritten.

Die Diskussion in der "Graswurzelrevolution" von März bis Dezember 1986:

Diskussion über Blockaden im Hunsrück in der "Graswurzelrevolution"

Hunsrück-Blockade im Meinungsstreit

Vorberichterstattung Hunsrücker Zeitung vom 15./16. November 1986 ...

Vorberichterstattung Hunsrücker Zeitung vom 15./16. November 1986
Hunsrück-Blockade im Meinungsstreit HZ 15-NOV-1986

Polizei räumte fünfmal

Berichterstattung Hunsrücker Zeitung vom 21. November 1986 ...

Berichterstattung Hunsrücker Zeitung vom 21. November 1986
Polizei räumte fünfmal HZ 21-NOV-1986

"Frauentor" und "Fließblockade" in Hasselbach

Berichterstattung taz vom 21. November 1986 ...

Berichterstattung taz vom 21. November 1986
Frauentor und Fließblockaden in Hasselbach taz 21-NOV-1986

Auf über 100 Blockierer wartet eine Strafanzeige wegen Nötigung

Berichterstattung Hunsrücker Zeitung vom 22. November 1986 ...

Berichterstattung Hunsrücker Zeitung vom 22. November 1986
Auf über 100 Blockierer wartet eien Strafanzeige wegen Nötigung HZ 22-NOV-1986

Friedensblockade gegen Raketen

Berichterstattung taz vom 22. November 1986 ...

Berichterstattung taz vom 22. November 1986
Friedensblockade gegen Raketen taz 22-NOV-1986

August Dahl vor Gericht - Blockadeprozess am 8. April 1987 vor Amtsgericht Simmern

Ein historisches Ereignis: Der erste Prozess gegen Blockierer der cruise missiles Staion Pydna vor ...

Ein historisches Ereignis: Der erste Prozess gegen Blockierer der cruise missiles Staion Pydna vor dem Amtsgericht in Simmern am 8. April 1987. Mitangeklagt: Der Hunsrücker Pfarrer August Dahl - und der nutzt die Verhandlung für eine beeindruckende wie denkwürdige Demonstration gegen den atomaren Wahnsinn.

Berichterstattung Hunsrücker Zeitung zum ersten Blockadeprozess in Simmern - HZ 10.04.1987

Teilnehmer der Hasselbach-Blockade beim BKA wie Terroristen und Saboteure in Datei gespeichert

Auf eine Kleine Anfrage des GRÜNEN Landtagsabgeordneten Prof. Dr. Gernot Rotter teilte der ...

Auf eine Kleine Anfrage des GRÜNEN Landtagsabgeordneten Prof. Dr. Gernot Rotter teilte der rheinland-pfälzische Innenminister Rudi Geil am 10.08.1987 mit, dass die Blockadeteilnehmer von Hasselbach im zentralen Polizei-Informationssystem PIOS des BKA erfasst wurden.

Die Anfrage und Antwort, sowie Pressemitteilung der GRÜNEN im Wortlaut:

Kleine Anfrage - Speicherung von Blockadeteilnehmern in PIOS-Datei

HUNSRÜCK-FORUM Extra - Der erste Blockade-Prozess im Hunsrück

Sonderausgabe des HUNSRÜCK-FORUM zum ersten Blockade-Prozess am 8. April 1987 vor dem Simmerner ...

Sonderausgabe des HUNSRÜCK-FORUM zum ersten Blockade-Prozess am 8. April 1987 vor dem Simmerner Amtsgericht. Erklärungen der Angeklagten, Plädoyers - das Urteil.

HUNSRÜCK-FORUM Extra 1987 - Der erste Blockade-Prozess im Hunsrück

HUNSRÜCK-FORUM Extra 2 - Freisprüche in zweiter Instanz

Sonderausgabe des HUNSRÜCK-FORUM zu den Freisprüchen im Revisionsverfahren vor dem Landgericht ...

Sonderausgabe des HUNSRÜCK-FORUM zu den Freisprüchen im Revisionsverfahren vor dem Landgericht Bad Kreuznach.
HUNSRÜCK-FORUM Extra 2 1987 - Freisprüche in zweiter Instanz

Petra Kelly und Gerd Bastian vor Amtsgericht Simmern - Januar 1988

Prozess gegen Petra Kelly und Gerd Bastian vor dem Simmerner Amtsgericht. Richter Göttgen ...

Prozess gegen Petra Kelly und Gerd Bastian vor dem Simmerner Amtsgericht. Richter Göttgen verurteil sie wegen Nötigung.

Petra Kelly und Gerd Bastian vor Amtsgericht Simmern - HZ 26.-27. Januar 1988